Presseaussendung vom 30.10.2018

Faktencheck rund um die Ende Gelände Aktion am Tagebau Hambach (25.-29.10.2018)

Aktualisiert zuletzt am 28.11.

Die Ende-Gelände-Aktion am letzten Oktober-Wochenende stieß in den Medien auf große Resonanz und wurde überwiegend fair dargestellt. Teilweise kam es in der Berichterstattung wie auch in der öffentlichen Wahrnehmung jedoch zu Missverständnissen und Ungenauigkeiten. Des Weiteren halten sich in den sozialen Medien hartnäckig falsche Behauptungen. Wir möchten gerne klarstellen:

 

1.) Fakt: Ende Gelände ist ein Bündnis für den sofortigen Kohleausstieg und Klimagerechtigkeit

Ende Gelände ist Teil der Proteste für den Erhalt des Hambacher Forstes gewesen, zum Beispiel am 6.10.2018. Uns geht es jedoch – seit Jahren – um viel mehr als nur einen Wald, uns geht es um einen sofortigen Kohleausstieg und um Klimagerechtigkeit. Diese Forderungen standen bei unseren Aktionen am Wochenende ganz klar im Vordergrund.

Ungenauigkeit: „Ende Gelände protestierte am Wochenende für den Erhalt des Hambacher Forstes, obwohl doch klar ist, dass dieser nun erstmal stehen bleibt.“

Beispiel: Deutsche Welle oder Spiegel Online oder auf dem T-Online Nachrichten-Portal.

2.) Fakt: Ende Gelände Gruppen haben die Autobahn erst überquert, als sie bereits gesperrt war. Aktionsziel war die Hambach-Bahn.

Der Fußweg über die Autobahnbrücken wurde den Ende Gelände Gruppen von der Polizei nicht gewährt. Daraufhin haben sie sich kurzfristig entschlossen, den Weg Richtung Hambach-Bahn über die bereits gesperrte Autobahn zu nehmen. Diese Entscheidung fiel erst, nachdem die Sperrung der Autobahn durch WDR und Polizei bestätigt wurde. Die Überquerung hat etwa 15 Minuten gedauert.

Falsch: „Die Aktivisten von „Ende Gelände“ blockierten die A4 bei Kerpen, um gegen den Kohle-Abbau zu demonstrieren.“ (Richtigstellung)

Oder auch in: Tagebau Hambach: 2000 Aktivisten blockierten über Nacht die Gleise“ (5.Absatz)

3.) Fakt: Während der ganzen Aktion wurden von Aktivist*innen keine öffentlichen Schienen betreten.

Ziel der Blockaden war die private Kohlebahn von RWE. Auf dieser Bahn verkehren keine Personenzüge. Am Samstag erfolgten zeitweilige Sperrungen öffentlicher Schienen durch die Polizei als Sicherheitsmaßnahme. Am Freitag hat die Polizei die Einstellung des Zugverkehrs im Großraum Aachen veranlasst, weil sich zu viele Aktivist*innen auf dem Bahnsteig am Bahnhof Düren befanden. Das war eine Folge der polizeilichen Maßnahmen, die rund 1000 Aktivist*innen bis zu zehn Stunden am Bahnhof festgehalten hat.

Falsch: „Ein Streckenabschnitt der Bahn war stundenlang gesperrt, nachdem Aktivisten darüber gelaufen waren. Nach Angaben der Polizei riefen Menschen aus der Region an und machten ihrem Unmut über Einschränkungen Luft.

In der Tagesschau findet sich eine Text-Bild-Schere: Während die Sprecherin davon spricht, dass die (öffentliche) Bahnstrecke zwischen Köln und Aachen teilweise gesperrt wurde, werden Bilder von Menschen gezeigt, die die Kohle-Bahn besetzen.

4.) Fakt: Es besteht kein Zusammenhang zwischen den brennenden Bussen in Rödingen und Anti-Kohle-Protesten. Ende Gelände kündigt Aktionen offen an und hält sich dabei an den Aktionskonsens, aus dem hervorgeht, dass wir kein Infrastruktur zerstören oder beschädigen.

Es gibt keine gesicherten Informationen, warum vier Busse eines Busunternehmer in Rödingen abgebrannt sind. Die Feuerwehr selbst warnte vor voreiligen Spekulationen.

Falsch: „Ein Busunternehmen hat Menschen zu einer Pro-Kohle-Demonstration gefahren. Wenn nun Busse dieses Unternehmens abbrennen, müssen Kohlegegner dahinterstecken.“

Beispiel: Auf dem News-Ticker zu den Hambach-Protesten bringt der Kölner Stadtanzeiger am 28.10.2018 die Meldung „Vier Busse in Rödingen ausgebrannt“. Darin heißt es, die Polizei „soll Hinweise haben [sic!], dass die Tat im Zusammenhang mit der Demonstration am vergangenen Mittwoch in Bergheim stehen könnte.“ Der Beitrag wurde mittlerweile nach unserer Beschwerde gelöscht.

 

5.) Fakt: Ende Gelände hat einen verbindlichen Aktionskonsens, an den sich alle Aktivist*innen gehalten haben.

Darin heißt es: „Wir werden uns ruhig und besonnen verhalten, von uns wird keine Eskalation ausgehen, wir gefährden keine Menschen. Wir werden mit unseren Körpern blockieren und besetzen. Wir werden dabei keine Infrastruktur zerstören oder beschädigen“

Falsch: „Das sind doch alles Kriminelle.“

So behauptet z.B. NRW-Innenminister Herbert Reul: „Das hat mit zivilen Ungehorsam nichts mehr zu tun, sondern das ist nur eine Tarnung […] hinter der sich Gewalttätigkeit, Sabotage, Besetzen, Angriffe auf Sachen und Personen verbirgt und das ist im Rechtsstaat nicht erlaubt.

In dem Artikel Die Hintermänner der Gewalt (KStA, 27.10.2018) wird vermittelt, dass „der Verzicht auf die öffentliche Propagierung von Gewalt“ nur ein Deckmantel für gewaltbereite Linksextremisten sei. (Die in dem Zusammenhang genannte „Interventionistische Linke“ ist Teil des Ende Gelände Bündnis). Ironischerweise wurden dieser Text mit zwei Fotos vom öffentlichen Ende-Gelände-Aktionstraining vom 26.10. bebildert, zu dem wir die Presse eingeladen haben, um unser Vorgehen so transparent wie möglich zu machen. Eins davon wurde auf unsere Aufforderung hin gelöscht.

Detail: Der ansonsten sachliche Beitrag Aktivisten besetzen Bagger und Bahnstrecke ist auf dem t-online Nachrichten-Portal in der Rubrik „Kriminalität“ eingeordnet.

6.) Fakt: Das Besetzen der Kohlebahn war laut Staatsanwaltschaft keine Straftat.

Es handelt sich lediglich um eine Ordnungswidrigkeit, wie etwa Falschparken.

Überraschend: Mehrere Medien titelten am 28.10.: Hunderte Strafanzeigen gegen Aktivisten bei Protesten von Ende Gelände. Sie beziehen sich auf eine Meldung der Polizei, die gegen 400 Aktivist*innen erstattet habe, unter anderem wegen Landfriedensbruch. Wir fragen uns: wer sind diese Aktivist*innen? Die meisten Beteiligten der Aktion konnten nach Hause gehen, ohne Personalien abgeben zu müssen. Andere haben die Abgabe verweigert. Nicht alle Betroffenen melden sich bei uns zurück. Es kann also sein, dass Strafanzeigen gegeben hat, von denen wir nicht wissen, oder das die entsprechenden Briefe noch eintrudeln werden. Aber: Eine „Strafanzeige“ ist noch lange kein Schuldspruch. Viele Ermittlungen werden eingestellt. Und:

Alle Prozesse, die gegen Menschen aufgrund ihrer Beteiligung an einer Ende Gelände Aktion im Rheinland geführt wurden, endeten bis her mit einer Einstellung und einem Freispruch.

 

6.) Fakt: Ende Gelände-Aktionen richten sich nicht gegen RWE-Mitarbeiter*innen.

Ein sozialverträglicher Kohleausstieg ist möglich und muss nur politisch gewollt sein. Die RWE-Mitarbeiter*innen leiden jetzt darunter, dass die Politik es seit Jahren versäumt hat, in den strukturschwachen Kohle-Regionen für zukunftsfähige Alternativen zu sorgen. Gleichzeitig muss es auch Aufgabe der Gewerkschaften sein, sich konstruktiv an den Notwendigkeiten zur Abwendung der Klimakrise zu beteiligen.

Falsch: Die Aktivisten wollen RWE-Mitarbeiter ruinieren.

 

7.) Fakt: Für im Rahmen der Aktion entstandene Schäden an Äckern und Feldern von Bäuer*innen bittet Ende Gelände um Entschuldigung. Wie im letzten Jahr auch bieten wir den betroffenen Landwirten eine finanzielle Entschädigung an.

Fälschlicherweise wird behauptet: „Ende Gelände nimmt keine Rücksicht auf die Anwohner und schädigt diese.“

 

8.) Fakt: Ende Gelände ist Teil einer europäischen Klimagerechtigkeitsbewegung.

Seid Jahren wird Ende Gelände von Gruppen in den Nachbarländern unterstützt, und umgekehrt. Der internationale Austausch hat unsere Aktionen immer bereichert. Die Klimabewegungen macht nicht an Ländergrenzen halt – denn CO2 tut dies auch nicht. In dem Sonderzug befanden sich ca. 150 tschechische Aktivist*innen, der größte Teil der Reisenden ist in Dresden, Leipzig und Berlin zugestiegen.

Fälschlicherweise wird behauptet: Der Sonderzug hat massenweise ausländische Krawalltouristen in das Rheinland gebracht. NRW-Innenminister Herbert Reul: „Es gibt einige Menschen, die um jeden Preis Krawall machen wollen, und die sind in der Anreise, kommen jetzt mit einem Sonderzug aus Tschechien, aus allen Herren Ländern hier hin, um bei uns Krawall zu veranstalten.